Eine kleine Unze Glück

Welt & Wir – Referent Bruno Maul ist in die Türkei gefahren, um seinen Kollegen Pascal Violo dabei zu unterstützen, Hilfsgüter in den Flüchtlings-Camps rund um Mersin zu verteilen. Im Rahmen der Initiative „Karawane der Menschlichkeit“ wurden aber nicht nur Lebensmittel, Schuhe und Laptops an syrische Flüchtlinge weitergegeben. Auch eine Truppe Österreichischer Clowns, Artisten, und MusikerInnen war vor Ort, um den Menschen ein bisschen Freude und Hoffnung zu bringen.

In den letzten 15 Monaten (Stand: Juni 2021) hat sich auch die Vortrags- und Reisebranche einer extremen Einschränkung ausgesetzt gesehen. Erstmalig haben auch wir Mitteleuropäer erlebt, was Reisebeschränkungen bedeuten. Konnten wir bisher in einer globalen Einbahnstraße nahezu alle Länder dieses Planeten bereisen – und auch wieder nach Hause zurückkehren –, so konnten nur wenige der von uns besuchten Länder bzw. deren BewohnerInnen ähnlich leicht zu uns reisen. Diejenigen, die es versucht haben, sind teils sehr schnell an die Grenzen ihrer Reisefreiheit gestoßen. Und genau diesen Menschen hat Pascal Violo seine eigene, durch Corona verursachte Reisebeschränkungen gewonnene Zeit gewidmet.

 

 

Anstatt wie ursprünglich geplant nach Kanada zu reisen, um dort Eisbären für seinen Vortrag zu fotografieren, hat er sein Erspartes und seine Zeit in ein Hilfsprojekt gesteckt. Er will damit geflüchtete Menschen unterstützen, welche in den letzten Monaten fast vergessen an den Grenzen der Festung Europa gestrandet sind: Unterstützung für Menschen aus Afrika im Süden Italiens, für Afghanische Familien in Moria, Menschen auf der Flucht vor Armut, polizeilicher Willkür und Gewalt in den Wäldern Bosniens und zuletzt für vor dem Krieg geflüchtete SyrierInnen in der Süd-Türkei. Auf diese Reise in die Türkei, durfte ich meinen Kollegen Pascal Violo und seine „Karawane der Menschlichkeit“ Anfang Juni 2021 begleiten.

Bereits eine Woche vor meiner Ankunft in Mersin war Pascal zusammen mit einer Truppe Österreichischer Clowns, Artisten, und MusikerInnen unterwegs, um Kindern in einigen der zahllosen Camps geflüchteter SyrierInnen fröhliche Momente zu bereiten. Die „Karawane der Clowns“ musste sich leider einen Tag nach meiner Ankunft wieder in ihren Alltag nach Österreich begeben, doch zum Glück durfte ich miterleben, wie der Seifenblasenkünstler Aramis Gehberger und die Musikerin Sonja Hauser Kinderaugen zum Leuchten brachten. Wie leicht nonverbale Kommunikation mit Musik, Tanz und Artistik möglich ist, zeigen die Bilder. Schon wenn sich unser Kleinbus einem der Zeltdörfer näherte, wurden wir von einer Horde auf uns zustürmender Kinder empfangen. Zu eindrucksvoll und für ihren Alltag höchst außergewöhnlich, waren die Darbietungen der lustigen Österreicher in der Vorwoche. Meine Rolle war die des Beobachters und Fotografen. Vom Kleinkind über den Teenager bis zum alten Mann: Alle schienen gleichermaßen fasziniert und erstaunt über diese erwachsenen Menschen aus dem akkuraten, korrekten Mitteleuropa, die sich wie selbstverständlich auf Augenhöhe mit den Kindern begaben und sie mit ihrem Übermut und Spieltrieb ansteckten.

 

 

Die Aufgabe der nächsten Tage war es, Kleidung, Spielsachen und Lebensmittel an die Familien in der Camps zu verteilen. Eigentlich sollte hierfür ein LKW, voll mit Hilfsgütern aus Österreich eintreffen, jedoch scheint ein humanitärer Transport in die Türkei von türkischer Seite derzeit nicht allzu erwünscht, denn die bürokratischen Auflagen machen dies selbst für erfahrene NGO’s nahezu unmöglich. Also wurden Kleidung, Spielwaren und mehrere Tonnen Lebensmittel von uns direkt in der Türkei gekauft, wodurch auch die regionale Wirtschaft etwas von der „Karawane der Menschlichkeit“ profitieren konnte. Die Verteilung erfolgte teils direkt in die Zelte der Familien, teils durch Übergabe an die „Stammesältesten“ der jeweiligen Zeltdörfer. Speziell die Verteilung der Spielsachen direkt durch uns endete meist in einem bunten Chaos: Die Spielsachen und wir inmitten hunderten von Kindern, deren persönlicher Besitz sich meist auf die Kleidung beschränkt, die sie am Leibe tragen. Die Dorfältesten besaßen hier mehr Autorität … Während all dieser Aktionen hatte Pascal gefühlt ständig sein altmodisches Mobiltelefon am Ohr um den Transport des ursprünglich für die Türkei geplanten LKW ins syrische Idlib zu organisieren. Dabei durfte auch ich lernen, für was man eine EORI-Nummer benötigt, was ein Ausfuhrbegleitdokument EX.1 ist, dass keine gebrauchte Kleidung nach Syrien eingeführt werden darf und seitens der EU anscheinend eine Art Schuh-Embargo gegen Syrien verhängt wurde … Und dass österreichische Banken sich zieren, Überweisungsaufträge einer NGO an eine türkische Spedition auszuführen, wenn der Begriff „Syrien“ im Verwendungszweck auftaucht … Unermüdlich und nie die Hoffnung verlierend kämpft Pascal für seine Idee, und während ich diese Zeilen schreibe, sollte der LKW, beladen mit Schuhen (sorry EU, aber manche deiner Sanktionen sind Schwachsinn und treffen eh meistens die Falschen und noch dazu die Schwächsten), Schultafeln, Schultischen und Stühlen, Laptops und vielen anderen nützlichen Sachen die türkisch-syrische Grenze überqueren, und Pascals syrische Partnerorganisation wird damit eine Schule in einem Camp auf syrischer Seite errichten.

 

 

Nun, da ich wieder in meinem eigenen Alltag angekommen bin, möchte ich mich bei Pascal und all den Menschen bedanken, die mir in dieser kurzen Zeit gezeigt haben, dass sich eben nicht alles in dieser Welt nur noch um ein Virus dreht. Diese Menschen haben ganz andere existenzielle Sorgen und Nöte. Ich wünsche mir, dass sie irgendwann ein anderes Verhältnis der Anteile Schrecken, Angst und Not auf der einen Seite zu Freude und Hoffnung auf der anderen Seite in ihrem Leben haben werden. Vielleicht können auch die paar Tage mit den lustigen Österreichern im Leben jener Kinder ein kleiner Beitrag dazu sein, das Gewicht auf der positiven Schale der Lebenswaage zu erhöhen. Einige Mahlzeiten, einige dringend benötigten Dinge für das tägliche Leben und eine kleine Unze Glück durch die „Karawane der Menschlichkeit …

Jeder kann die Arbeit von Pascal Violo und seinem Team von „Karawane der Menschlichkeit“ unterstützen. Eure Spenden sind hochwillkommen!

Spendenkonto:

Karawane der Menschlichkeit – Raika Güssing – IBAN: AT14 3302 7000 0002 3408

 

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