„Der Alleingang am Nanga Parbat war mir wichtiger als der Everest!“

Reinhold Messner wurde 1944 als eines von neun Kindern in Südtirol geboren. Bereits mit 5 Jahren erreicht er den Gipfel eines Dreitausenders. Das war der Anfang einer außergewöhnlichen Bergsteigerkarriere und einer Leidenschaft, die ihn bis heute als Mensch geprägt hat.

1978 stand er mit Peter Habeler als erster Mensch ohne Sauerstoff auf dem Gipfel des Mount Everest obwohl die Ärzte das für unmöglich gehalten haben. Zwei Jahre später gelang ihm die erste Alleinbesteigung des Everest. Er ist der erste Mensch der alle 14 Achttausender bestiegen hat. Reinhold Messner ist Grenzgänger und hat möglich gemacht, was andere für unmöglich gehalten haben. Heute schreibt er Bücher, züchtet Yaks, ist Filmproduzent, hat die Messner Mountain Museen gegründet und war als Abgeordneter im EU Parlament. Am 12.12.21 um 17 Uhr wird er im Stream bei Welt & Wir über seinen Schicksalsberg, den Nanga Parbat, berichten. Daniel Snaider vom Welt & Wir-Team hat mit ihm gesprochen.

Welt & Wir: Die Erstbesteigung des Mount Everest ohne Sauerstoff oder das EU Parliament – was war die größere Herausforderung für dich?

Reinhold Messner: Also das war schon ein scharfer Wechsel. Als Alpinist bin ich Anarch – das heißt ich regle alles selber. Ich trage die ganze Verantwortung und damit bin ich auch relativ frei in meinen Entscheidungen. Aber Demokratie heißt Überzeugungsarbeit, heißt Kompromisse, sonst ist sie nicht möglich. Und je größer die Parlamente sind, um so größer ist natürlich auch der Handel, der da stattfindet. Ich sehe das nicht negativ, ich sehe es positiver seit ich im Parlament war, aber nach fünf Jahren hat es mir gereicht.

 

Welt & Wir: Wenn man deine Biografie anschaut ist sie einzigartig. Du scheinst dich auch immer wieder neu zu erfinden. Es gibt Menschen da draußen, die natürlich auch viele Wünsche haben, viele Träume, viele Ideen, aber es scheitert oft an der Umsetzung. Was hat dich dazu bewegt, deine Visionen Wirklichkeit werden zu lassen?

Reinhold Messner: Ich habe früh gelernt umzusteigen. Immer dann, wenn ich das Maximum in einem Tun erreicht hatte, das mir zugänglich war. Ich bin einer von vielen Bergsteigern gewesen, ein Grenzgänger, aber durch das Umsteigen von Felskletterer zu Höhenbergsteiger, bedingt durch den Unfall am Nanga Parbat bei dem mein Bruder ums Leben gekommen ist und durch die Erfrierungen, die ich selber erlitten habe, konnte ich nicht mehr so gut Felsklettern. Das heißt ich hätte nie mehr dort anschließen können wo ich vorher aufgehört hatte und war doch erst 25. Und dann bin ich bewusst umgestiegen – von einem Tun in ein ganz anderes. Und das habe ich dann fortgesetzt bis in die heutige Zeit.

Welt & Wir: In wie weit war dir damals, bei der Besteigung des Mt. Everest ohne Sauerstoff, die Tatsache bewusst, dass du mit deinem Tun nicht nur die Grenzen überschreitest, sondern damit auch Grenzen verschiebst?

Reinhold Messner: Wir haben natürlich unsere Grenzen nicht überschritten. Wir konnten das gerade noch machen. Es war nicht einfach, weil wir einen kalten und einen stürmischen Tag hatten. Aber die allgemeinen Grenzen sind wirklich überschritten worden, weil man vorher eine falsche Annahme hatte. Man hat ja auch Untersuchungen gemacht, an mir zum Beispiel, schon vor dem Everest, und gesagt: „Das geht nicht!“ Nach dem Everest hat ein deutscher Arzt gesagt, er glaubt es nicht, außer ich wage es mit ihm mit dem Flieger ohne Maske auf 9.000 Meter zu fliegen und er nimmt Blut ab und er schaut dann, wie das ausschaut. Und das haben wir getan und ich habe es tadellos ausgehalten. Ich war noch akklimatisiert, sonst wäre das nicht gegangen. Peter Habeler und ich sind auf den Everest gestiegen ohne Maske. Wir haben eine Idee umgesetzt und das natürlich mit dem Hintergedanken: „Wenn ich den Everest ohne Maske besteigen kann, kann ich alle Berge ohne Maske besteigen und kann meinen billigen Stil, also billig im Sinne von Kosten, auch am K2 oder am Kangchendzönga umsetzen. Und das habe ich ja dann auch getan.

Welt & Wir: Würdest du sagen, dass diese Expedition am Everest für dich der größte sportliche Erfolg war?

Reinhold Messner: Nein. Der Everest gehört nicht zu den zehn wichtigsten Sachen die ich gemacht habe. Die wichtigste Sache ist nach wie vor der Nanga Parbat: auf Grund der Tragödie und der Schwierigkeit des Herunterkommens. Der Everest war sozusagen nur das Missing link – geht dieser Stil auch an den allerhöchsten Bergen? Der Alleingang am Nanga Parbat war mir wichtiger als der Everest. Der ist nur untergegangen weil ich ja vom Everest heimkam und dann die Genehmigung hatte und zum Nanga Parbat fuhr. Der Kanchenjanga war mir wichtiger, ebenso der K2, Everest solo, auch die Überschreitung des Gasherbrum II.

Welt & Wir: Aber hat dir dieser Erfolg auf dem Everest auch viele Türen geöffnet oder würdest du sagen, dass es das ist was die Presse oder die Allgemeinheit am stärksten wahrgenommen hat?

Reinhold Messner: Der Erfolg auf dem Everest ist das was mir wirtschaftlich die Basis gegeben hat, alles zu machen was ich wollte. Von dem Moment an konnte ich alle Ideen finanzieren, auch den Umstieg von den Bergen in die Wüsten, vor allem die Eiswüsten. Es hat ja damals viel mehr gekostet durch die Antarktis zu gehen und überhaupt dort hinzukommen. Heute kann man einen Flug buchen, damals mussten wir auch den Flieger organisieren. Das war nicht so einfach. Ich brauchte drei Jahre nur für die Logistik. Und das ist alles mit dem Everest ohne Maske möglich geworden, weil es bekannt wurde, weil dann Sponsoren kamen. Ich habe nie in meinem Leben einen Sponsor angesprochen, sondern sie kamen zu mir und ich habe ja oder nein gesagt. Und dann habe ich die Möglichkeit gekriegt, es nicht nur für mich, sondern auch für die anderen zu finanzieren.

Welt & Wir: Du hast mal gesagt: „Wenn ich einen Plan mache und es mehr Platz braucht als auf einem DIN A4 Blatt, dann interessiert es mich nicht, weil es zu aufwendig ist.“ Ist das deine Art zu sagen: „Ich fokussiere mich auf das Wesentliche.“ Ist das vielleicht ein Schlüssel zum Erfolg?

Reinhold Messner: Das Bergsteigen ist nutzlos und mit Erfolg schwer zu messen. Natürlich ist es ein Erfolg ohne Maske auf den Everest zu steigen, aber es ist einen unnützer Erfolg. Ich mache es mir das sinnvoll, aber die Sinnhaftigkeit und die Nützlichkeit sind zwei völlig verschiedene Werte. Aber wenn ich wirklich, auch monetär, Erfolg ins Spiel bringe, dann bin ich nur erfolgreich, wenn ich etwas mache, was mich weniger kostet als das was ich damit einspiele. Ich habe ja auch als Autor, als Vortragsredner und als Buchschreiber einen Teil meiner Expeditionen finanziert, vor allem zu Beginn. Später wurde das sekundär. Aber mein größtes Projekt, dass man vielleicht auch als mein wirtschaftlich erfolgreichstes Projekt sehen kann, sind die Museen. Das ist ein Riesenprojekt, da habe ich lange Zeit politische Verhandlungen führen müssen. Wenn ich Leute eingestellt hätte, Fachleute, hätte mich alles überfordert. Ich habe es wieder mit dem Minimum gemacht, eben dem was ich hatte.

Welt & Wir: Hast du manchmal das Gefühl, dass für dich die Zeit zu schnell läuft? Dass es Ideen gibt, Pläne, die Du gerne noch umsetzten möchtest, aber die Zeit rennt. Setzt Dich das unter Druck?

Reinhold Messner: Nein, bei mir hat sich das entschleunigt. Also es gab eine Zeit in der das Leben sehr schnell verging und wo ich viel umgesetzt habe und auch Lust hatte, umzusetzen und zum Teil auch getrieben war. Das sage ich mit allem negativen Beigeschmack. Aber seit ein paar Jahren, und nicht nur durch Corona, entschleunigt sich meine Zeit. Die Zeit wird langsamer. Und das ist schön!

 

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