Thomas Huber im Interview: „Unser Vater war Banker und wir wollten anders sein!“


Thomas Huber im Traum & Abenteuer Exklusiv-Interview mit Andi Fichtner

Thomas Huber, staatlich geprüfter Berg- und Skiführer und der ältere der beiden Huberbuam, lebt für seine Leidenschaft, das Bergsteigen. Gemeinsam mit seinem Bruder Alexander gehört er zu einer der erfolgreichsten Seilschaften unserer Zeit, den Huberbuam.
Im Rahmen des Stuttgarter Alpintages am 12.1.2020 präsentiert Thomas Huber seine neue Live Foto- & Filmshow „Steinzeit“ in der Liederhalle.

Hallo Thomas, fünf Jahre ist es her, als wir beide das letzte Interview („Sehnsucht Torre“) geführt haben – fünf Jahre voller Erlebnisse. Wie steht es jetzt mit deiner Sehnsucht – hat sich etwas geändert? Ruhiger geworden und ohne Tatendrang scheinst du ja nicht zu sein. Auf deiner Facebook-Seite geht’s ziemlich lebendig zu!
Die Sehnsucht ist nach wie vor unerloschen, lediglich die Berge und Ziele haben sich verändert.

Worauf dürfen sich die Zuschauer in deinem neuen Vortrag „Steinzeit“ freuen?
Über Auf und Ab, Erfolg und Scheitern, Leidenschaft, Mut und Zweifel… eine wilde, philosophische und rockige Reise in die gebirgige Welt des Thomas Huber.

Du sagst, „Steinzeit“ ist bislang dein schönster und intensivster Vortrag – weshalb bedeutet er für dich so viel?
„Steinzeit“ ist wirklich mein Leben. Von meinen Anfängen, wie ich als Jugendlicher das erste Mal geklettert bin, bis hin zu meiner letzten Expedition zum Latok, einem 7000er in Pakistan. Ein ziemlich wildes Leben.
In der Geschichte meiner Vorträge durfte ich mich Gottseidank immer weiterentwickeln. Meine Vorträge wurden vom Aufbau her dramaturgisch, bei „Sehnsucht Torre“ hatte ich den Rock-Song, der sich als roter Faden durch das Ganze zog und die Hürde war innerlich hoch für mich, wie ich das jetzt wohl noch toppen könnte. Die Idee kam beim Schreiben… Cerro Kishtwar, Latok… ich werfe den Stein, lege ihn hin. Werfe ihn wieder, fange ihn auf – und bin in der Heimat. Die Essenz: Jedes Ereignis hat eine Wirkung auf uns, löst etwas aus. Manches lässt man einfach so stehen, manchmal entsteht aber auch etwas ganz Neues!

Wie ist für dich das Gefühl, nach intensivem Erleben draußen in der Einsamkeit der Natur, irgendwo in einer steilen, kalten Felswand, später in einem vollbesetzten Vortragssaal völlig fremden Menschen von deinen Erlebnissen zu erzählen?
„Vortrag“ klingt so nüchtern und trocken. Vielleicht ist das Wort sogar unpassend für das, was ich mache. Was die Zuschauer bekommen, ist eher eine Geschichte, ein Abenteuer. Manchmal auch Kabarett. Die Zuschauer lachen und weinen und gehen berührt nach Hause.

Was können Menschen, die vielleicht selber noch nie einen Berg bestiegen haben, aus deinem Vortrag mitnehmen?
Dass es wert ist, mutig zu sein im Leben. Mutig, eine unkonventionelle Entscheidung zu treffen. Sein Leben zu überdenken, neu in die Hand zu nehmen. Viele Menschen träumen von etwas, aber gehen es nie an. Das ist schade, denn wenn man etwas aufschiebt, schmeißt man es weg. Ich möchte mir selbst eine Antwort geben, warum ich die Vorträge mache, ein Feedback geben, was meine Motivation ist und packe sie in eine Geschichte.

Eine sehr schöne, aber manchmal auch traurige Geschichte, wenn Unfälle in den Bergen passieren und wir Bergsteiger aus unserer Gemeinschaft verlieren.
Ja auch dies ist Teil der Geschichte, der Botschaft. Das Schwierigste für mich gerade auf der Bühne ist, die Bilder zu sehen und gleichzeitig zu wissen, dass Julian nicht mehr unter uns ist.
(Anmerkung: Julian, Thomas´ Seilpartner am indischen Cerro Kisthwar, verstarb 2019 beim Bergsteigen im Berner Oberland)
An der Stelle ist es kurz schwer für mich, den Sprung wieder ins normale Erzählen zu schaffen.
Die Geschichte verträgt keine Kompromisse; so wie auch Julian immer zu einhundert Prozent sein Leben gelebt hat.

Wie reagierst du, wenn du beim Klettern scheiterst? Wie steckst du Enttäuschungen weg, wenn du nach einem riesigen Aufwand ohne ausweisbaren Erfolg wieder nach Hause fährst, wie bei der Latok-Expedition?
Ich bleibe ruhig und gelassen. Ein Scheitern am Berg ist keine Niederlage, die man einfährt. Manchmal ist es auch gewonnene Zeit, es noch mal versuchen zu dürfen. Eine falsche Entscheidung kann mit dem Schlimmsten enden, es ist also eine große Verantwortung, die man trägt.
Jetzt könnte man auch im Umkehrschluss sagen: Okay, dann geh ich eben nicht! Aber es ist mein innerer Drang, dennoch zu fahren, durch Können und Erfahrung zu versuchen, möglichst sicher unterwegs zu sein. Da steckt die ganze intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Berg dahinter. Bevor man am Berg ankommt, war die Vorbereitung schon sehr intensiv. Stehst Und wenn du bereits zum zweiten Mal davor stehst, profitierst du von deinen früheren Erlebnissen.

Eure Erlebnisse im Karakorum waren ja beim letzten Mal ziemlich gemischt…
Das kann man wohl sagen. Unsere Expedition begann super, alles ist nur so geflutscht: Nach einer problemlosen Anreise haben wir unterwegs, am Eingang zum Choktoi-Tal, noch meinen Bruder Alex getroffen, der übers ganze Gesicht strahlte und gerade mit seinem Kletterpartner Fabian Buhl auf dem Heimweg nach einer erfolgreichen Klettertour war. Wir erreichten unser Basislager und konnten bereits nach einer Woche vor Ort unseren ersten 6000er zum Akklimatisieren besteigen. Unsere nächste Stufe sollte der Latok III sein, knapp 7000 m hoch, den wir über den Südpfeiler erklettern wollten. Leider ließ und ab da das Wetter im Stich, es schneite und wir konnten drei Wochen lang den Gipfel nicht mehr sehen. Einmal brachen wir trotz dichter Wolken auf und stiegen bis zum Lager 1 hinauf, aber an mehr war durch den Schneefall nicht zu denken.
Unser Ziel war ja eigentlich der Latok I mit seiner zuvor noch nie durchkletterten Nordwand.
Die Verhältnisse sind jedoch denkbar schlecht gewesen: eine winterlich verscheite Wand, jede Menge Spindrift. Teams, die sich kurze Zeit vor uns an der Wand versuchten, waren durch Lawinenabgänge verletzt worden – jetzt, vor Ort, bekamen wir langsam eine Ahnung von der Situation. Die Gefahren in der Wand waren unkalkulierbar, inklusive dem Zustieg, der von sehr aktiven Seracs bedroht wurde – da hilft dir nur noch Glück und du musst vorher mit deinem Leben abschließen. Auch unser Alternativziel, die direkte Route über den Norgrat, war bei diesen Verhältnissen nicht machbar.
Unsere Dynamik war völlig ausgebremst.
Wir hatten uns mit dem Berg Neuland ausgesucht mit einer alpinistisch fast unmöglich zu lösenden Aufgabe. Diese Unmöglichkeit macht dich neugierig, sie ist inspirierend und fordert dich gleichzeitig.
„Du kannst das Unmögliche nur packen, wenn du im Flow bist.“

Wann gehts wieder hin zu einem erneuten Versuch? Wirst du etwas anders machen?
Ja, wir werden bald wieder zum Latok aufbrechen, diesmal im kleineren Team: Simon, Yannik und ich. Anders werden wir nicht viel machen, denn die Logistik hatte auch beim letzten Versuch schon gepasst. Wir kennen uns gut, sind ein eingespieltes Bergsteiger-Team und haben zusammen einen riesen Spaß. Was es braucht, ist einfach noch gescheites Wetter dazu.

Ist der Berg dein Freund? Oder manchmal auch dein Gegner, den du bezwingen willst?
Er ist sicher niemals ein Gegner. Für mich kann der Berg nur Herausforderung sein. Ich gehe dort hin, wo das Potential zu scheitern, extrem hoch ist. Wäre es einfach, wird es uninteressant. Spannend wird es doch grundsätzlich dann, wenn es sich in unserem eigenen Denken unmöglich anfühlt. Das Scheitern muss man dabei als ganz normale Sache akzeptieren. Wenn du nie scheiterst, gehst du immer nur zu Bergen, die für dich machbar sind – aber ist das wirklich eine Herausforderung?
Wir begegnen dem Berg mit all unserem Können und Wissen. Erst wenn du den Berg verstehen lernst, kannst du auch das Unmögliche schaffen.

Als die Huberbuam seid ihr weitläufig bekannt für eure wilden, langen Haare, die ein Markenzeichen geworden sind. Sehnst du dich manchmal nach kurzen Haaren, die in der Wildnis sicher einfacher zu pflegen sind, oder gibt es auch einen besonderen Vorteil von langen Haaren am Berg?
(lacht) Nee, einen Vorteil von langen Haaren seh ich am Berg sicher nicht. Vielleicht etwas wärmer am Kopf? Mit vierzig hatte ich sie auch mal komplett kurz geschnitten, einfach so, aus einer Laune heraus. Aber eigentlich gefallen sie mir lang. Unser Vater war Banker und wir wollten anders sein.

Eifern deine Kinder ihrem Vater nach?
(grinst von einem Ohr zum anderen) Also mit der Frisur sicher nicht, meine Jungs tragen kurze Haare – wahrscheinlich als Revolte gegen mich – es wiederhot sich vieles…
Auch sportlich gehen sie ihre eigenen Wege. Ich habe ihnen anfangs mal das Snowboardfahren beigebracht. Jetzt sind sie beim Snowboardfahren im Bundes-C-, der ältere im Nationalkader.
Ich war ganz überwältigt, bei der diesjährigen Sportlerehrung gemeinsam mit Elias auf der Bühne zu stehen: mein Ältester wurde „Nachwuchssportler des Jahres“, während mein Bruder Alexander und ich die Ehre als „Botschafter des Sports“ bekamen.

Also kein Kletterer-Nachwuchs in Sicht?
Da bin ich völlig entspannt. Meine Tochter bouldert ganz gerne.

Beim Snowboarden haben dich deine Kids abgehängt, im Sportklettern wirst du nicht müde, schwere Erstbegehungen zu machen, wie aktuell dein Projekt „Stoneage“ am Untersberg. Wie weit ists noch bis zum Durchstieg und wie hoch ist die Schwierigkeit?
An „Stoneage“ bin noch dran, es wird so um die 10+ würd ich mal sagen. Das Sportklettern und Projektieren macht mir schon immer einen riesen Spaß, auch wenn ich mittlerweile vielleicht zwei, drei Versuche mehr brauche, bis ich oben ankomme. (grinst)

Der Thomas ganz privat: was bringt dich runter nach einem anstrengenden Tag?
Familie, dahoam,… die Musik.
Gemeinsam mit meiner Band „Plastic Surgery Disaster“ aufzutreten, macht mir noch großen Spaß. Mit über fünfzig bin ich zwar schon ein Rock-Opa, aber auf der Bühne erlebe ich einen ähnlichen Flow wie beim Klettern und vergesse völlig mein Alter.

Woher stammen eure Songtexte?
Ich schreibe sie selber. Es sind Texte von mir, was ich so alles erlebt hab. Die Musik ist für mich eine andere Art, die Vorträge zu machen.

Das Interview führte: Andi Fichtner

THOMAS HUBER auf TOURNEE
mit seinen neuen LIVE-SHOW
STEINZEIT
11.01.20 – München
12.01.20 – Stuttgart
09.02.20 – Augsburg
06.03.20 – Ingolstadt
07.03.20 – Landshut
08.03.20 – Regensburg

weitere Infos und Tickets auf:
www.traumundabenteuer.com
www.erdanziehung.com
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